Wolfgang Mocker
DIE REAL EXISTIERENDE DEMOKRATIE
oder
DER KUGELSICHERE WESTEN
Lausitzer Rundschau · 08.03.2003

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Es geht natürlich nicht um den Import von Rohöl. Ganz im Gegenteil. Es geht um den Export von Demokratie. Öl können die USA ja jederzeit kaufen. Demokratie nicht.

Zum Glück lagern die weltweit größten natürlichen Vorkommen an Demokratie in den Vereinigten Staaten von Amerika. Davon können die USA jede Menge exportieren. Und das müssen sie auch, denn im letzten Jahr betrug ihr Handelsdefizit eine knappe halbe Billion.

Der Export von Demokratie ist allerdings ähnlich problematisch wie der Export von Revolutionen. Man weiß nie genau, ob sie auf fremdem Boden gedeihen. Und welche Menge verträglich ist. Eine Weile haben die USA beispielsweise den Diktator Hussein an den Segnungen der Demokratie teilhaben lassen. Unter anderem in Form von Massenvernichtungswaffen. Solche Waffen sind in den Händen von Demokraten ja eigentlich keine wirkliche Gefahr. Aber Saddam setzte sie nicht nur gegen das undemokratische Mullah-Regime des Irans ein, sondern auch gegen Kurden im Norden Iraks. In den Genuß vollkommener Demokratie kam im Grunde nur der Diktator selbst.

Auch andere Staaten exportierten damals fleißig Demokratie sowie andere Güter in den Irak. Sogar die beiden deutschen Staaten. Die DDR konnte allerdings aufgrund ihrer armseligen Rohstofflage statt Demokratie nur Lastkraftwagen beisteuern. Zum Ausgleich lieferte sie diese gleichzeitig auch in den Iran. Der Krieg ging damals aus wie geplant. Mit einem vernichtenden Remis. Seither war der Demokratieexport im arabischen Raum weitgehend zum Erliegen gekommen. Selbst in Israel gibt es in dieser Hinsicht mittlerweile gewisse Engpässe und Mangelerscheinungen.

George W. Bush will nun die Ausfuhr dieses kostbaren Gutes mit Hilfe seiner Marines wieder ankurbeln. Er weiß aus eigener leidvoller Erfahrung, daß Demokratie besser ist als Nervenkrieg. Das hat er bei der Nachzählung der Wahlstimmen in Florida hinlänglich erfahren. Demokratie und Gewaltenteilung sind unverzichtbar. Bush selbst wäre ohne völlig unabhängige Richter nicht mal Präsident geworden. Zunächst muß er nun allerdings erst mal die Fehler seines Vaters ausbügeln, der die Demokratie im zweiten Golfkrieg leider nur in die irakische Wüste geschickt hatte. Bagdad selbst bekam damals ja nur ein paar Rosinenbomber ab.

Daraus haben die Amerikaner gelernt. Während sie früher versuchten, Diktatoren vorsichtig mit Demokratie zu unterstützen und frei gewählte, aber böse Präsidenten zu stürzen, gehen sie jetzt den umgekehrten Weg. Sie versuchen Diktatoren auszuwechseln und stattdessen Präsidenten wählen zu lassen. Streng nach dem Florida-Prinzip.

Ein erstes eindrucksvolles Beispiel ist Afghanistan. Seit Anbruch der Bush-Ära erhielt Afghanistan als erstes Land der Welt eine volle Ladung Demokratie. Nach der Verjagung der muslimischen Bilderstürmer wurde ein behelfsmäßiger Präsident ausgekungelt und eingesetzt. Ganz wie in Gottes eigenem Land.

Konflikte werden in Afghanistan jetzt wieder im fairen Kampf Mann gegen Cruise Missile ausgetragen. Dazu dürfen jedoch auch wieder Filme gesehen und Musik gehört werden.

Afghanische Kinderschänder werden nun nach den drakonischen Brüsseler Gesetzen bestraft. Die junge afghanische Medienlandschaft wurde nach dem Vorbild Berlusconis organisiert. Mißliebige Politiker und Terroristen werden nach bundesdeutschem Beispiel in Badewannen entsorgt bzw. per Kopfschuß auf die Gleise geschickt. Da es in Afghanistan vorerst weder Badewannen noch Gleise gibt, muß nach solchen Aktionen nicht mal ein Innenminister zurücktreten. In jedem Fall hat unser Verteidigungsminister Peter Struck absolut recht: "Deutschland wird auch am Hindukusch verteidigt."

Selbstverständlich können auch im demokratischen Afghanistan die Freiheiten der Bürger nicht ins Endlose ausgedehnt werden. Vor allem aus Sicherheitsgründen. Denn selbst die originären westlichen Demokratien müssen im Kampf gegen den Terrorismus inzwischen schmerzliche Opfer bringen. Noch drohender ist allerdings eine ganz andere Gefahr. Was, wenn die natürlichen Demokratievorkommen in den USA eines wunderschönen Tages restlos erschöpft sind?

Alle Hoffnungen ruhen auf einem Umstieg auf alternative Systeme.

Experten arbeiten bereits heute an einer Technologie, die es ermöglichen soll, ganze Gesellschaften einzig und allein mit heißer Luft zu beherrschen.

Wolfgang Mocker 2003

© 2010 Viola Mocker Berlin · www.mocker-aphorismen.de
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