Wolfgang Mocker
Ein Boden ohne Fass! der Trend geht zum Finanzbolschewismus!!!
Eulenspiegel · 03/2009

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Wir befinden uns in der schwersten Finanz- und Wirtschaftskrise seit 1929.
Nun begreife ich langsam, wie es überhaupt zum Stalinismus kommen konnte.
Es muß eine Riesenfreude gemacht haben (ein Heidenspaß gewesen sein), dieses ganze Gesindel endlich zu enteignen.
Aber Spaß beiseite.
Bislang haben ja lediglich Besserverdienende und richtig Reiche Geld verloren.
Damit das nicht so bleibt, hat unsere Regierung Schutzschirme über dem ganzen Land aufgespannt.
Schutzschirme aus Geld. Natürlich handelt es sich »nicht um richtiges Geld«, wie die Kanzlerin eindringlich versichert. Es geht lediglich um Staatsbürgschaften, Garantien und andere vertrauensbildende Maßnahmen. Zu diesem Zweck wird sich der Bund allein in diesem Jahr 323 Milliarden Euro am Kapitalmark leihen. Mit anderen Worten: Die Regierung borgt sich Milliarden von den Banken, um damit die Banken zu retten. Ein gigantischer Vertrauensvorschuß! Der Banken.
Der eine oder andere unblutige Laie wird sich vielleicht fragen, ob sich die notleidenden Banken von diesem Geld nicht gleich selber hätten retten können. Aber wie hätte das denn ausgesehen? Als ob unser Staat zu überhaupt nichts mehr nütze wäre!
Außerdem stehen Banken miteinander in fairem Wettbewerb und würden die Knete sofort wieder verzocken. Der Staat hingegen ist absolut neutral. Zumindest in Geldfragen. Besonders weil ihm der Zaster nicht gehört. Nur der Staat kann – völlig wertfrei – Milliarden in überlebenswichtige Geldinstitute stecken. Oder eine Bank teilverstaatlichen. Allein mit dem Geld der Steuerzahler. Von morgen! Der Steuerzahler selbst könnte dies nicht annähernd so gut bewerkstelligen. Zumindest nicht mit dem Augenmaß, das unsere Regierung an den Tag legt. Der Steuerzahler würde vermutlich gleich eine Verschrottungsprämie für ganz Deutschland einführen. Oder aber auf Anhieb die komplette Bundesrepublik verstaatlichen. Obwohl sie ihm von den Grundwerten her sowieso gehört. Das wird er noch früh genug zu spüren bekommen.
Wenn die Garantie-Ernstfälle erst mal eintreten.

Wie gut die Maßnahmen der Regierung anschlagen, sieht man daran, daß etliche Branchen bereits wieder boomen. Allen voran die Schutzschirm-Industrie. Bewährt hat sich auch, daß die große Koalition in seltener patriotischer Einmütigkeit unsere Automobilhersteller geradezu liebevoll und planwirtschaftsmäßig mit Abwrackprämien verhätschelt – als wären sie bereits volkseigne Betriebe!
Wie fein die beiden Konjunkturpakete austariert sind, erkennt man zudem daran, daß es in diesen schweren Zeiten für eine alte Schrottkiste mit vier Rädern 2500 Euro, für Kinder hingegen, die ebenfalls neun Jahre oder älter sind, aber nur hundert Euro gibt. Warum? Es wäre wohl kaum jemand bereit, sich für ein verschrottetes Problemkind gleich wieder ein neues aufzuhalsen. Der Autoverkauf hingegen zieht bereits wieder vorsichtig an.
Sogar Marxens »Kapital« stürmt in diesen Tagen die Bestsellerlisten. Manche Leute sagen darum nicht ohne Schadenfreude, daß Marx das vorausgesehen habe. Und? Was hat’s ihm genutzt? Einige geistesschaffende Linkshänder frohlocken bereits, der Kapitalismus sei nun endgültig am Ende. Sie sollten sich jedoch nicht zu früh freuen. Es könnte sich herausstellen, daß auch sie selber mehr zu verlieren haben als nur die Kette an der Hundehütte im Garten ihres schmucken Eigenheims.

 Die mit den Staatsgarantien verknüpften schaumgummiweichen Auflagen haben sich inzwischen überall herumgesprochen. Nach anfänglichem Zögern griffen viele Bankhäuser zu. Die Hypo Real Estate bediente sich sogar regelmäßig alle zwei, drei Wochen aus dem Notfonds. Selbst Ackermann scheint neuerdings staatlicher Hilfe nicht mehr prinzipiell abgeneigt. Er will die Deutsche Bank außerdem neu ausrichten und setzt dabei jetzt vor allem auf den kleinen Mann von Straße, also auf das bislang verschmähte, mühsame Geschäft mit Privatkunden. Er hat begriffen: Der kleine Mann bricht nicht halb so schnell zusammen wie eine große Bank.
Inzwischen stehen selbst die Auto-Banken Schlange vor dem sogenannten Sonderfonds Finanzmarktstabilisierung (SoFFin). Die VW-Bank nahm bereits eine Staatsbürgschaft in Anspruch, die BMW Bank erwägt dies gerade. In beiden Fällen geht es um die Refinanzierung des hierzulande beliebtesten Volkssports: Auto-Leasing. Bedauerlicherweise ist diese Sparte außerordentlich defizitär. Um so wichtiger der beherzte staatliche Eingriff an dieser Stelle. Schließlich hat die ganze Chose mal mit geleasten Häusern in den USA angefangen.
Sogar die Krankenkassen sollen zusätzliche Milliarden bekommen. Um steigende Kassenbeiträge vor der Wahl um jeden Preis zu verhindern. Unserem mit anderthalb Billionen verschuldeten Staat kommt es nun auf eine Billion mehr oder weniger auch nicht mehr an. Das Positive daran: Nach Dr. Karl Marx ist der Kredit lediglich »ein Vorgriff auf zukünftigen Mehrwert«. Gemessen an unseren überschuldeten Staats- und Privathaushalten, leben wir also bereits in einer ziemlich fernen Zukunft. Selbst der Kommunismus war seinerzeit nicht viel weiter entfernt.

Dennoch sollen die Schutzschirme natürlich kein Faß ohne Boden werden. Höchstens umgekehrt. Deshalb steigt der Staat notfalls auch direkt in Unternehmen ein. So kann die Krise auf noch mehr Schultern verteilt werden. Kaum war der Bund mit vielen Milliarden und zwei Aufsichtsratsmitgliedern in die Commerzbank eingerückt, schon flossen wieder Kredite an den deutschen Mittelstand und retteten reihenweise Firmen vor dem Ruin. Es gibt in dieser Krise viele Dominoeffekte. Sogar positive.
Die Münchner Hypotheken- und Pfandbriefbank, vom Volksmund »Hypo Irreal Estate« genannt, bittet derzeit beinahe händeringend um Verstaatlichung. Was bleibt ihr anderes übrig – nachdem sie bereits über 92 Milliarden verbrannt hat, wird ihr nun langsam der Boden unter den Füßen zu heiß.
Durch staatliche Beteiligungen und Übernahmen mausert sich der deutsche Steuerzahler inzwischen zum virtuellen Großaktionär. Auf diese Weise gehen die im internationalen Vergleich noch immer als Börsenmuffel geltenden Deutschen nun doch noch in großem Stil in die Aktien. Wenn auch praktisch in Form von Zwangsanleihen und zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt.
Noch zieren sich Unionspolitiker ein wenig und geben zu bedenken, daß der Staat auch nicht der bessere Banker sei, wie die Landesbanken gezeigt hätten. Mag sein, aber dafür ist der Steuerzahler die sicherste Bank der Welt. Weil er ohne Tresor und Bankgeheimnis auskommen muß. Außerdem bleibt den Politikern gar keine andere Wahl. Außer der zum Bundestag in knapp sieben Monaten.

Trotz aller Hilfsmaßnahmen – das vom Staat mittlerweile eingekaufte Gesamtvertrauen im Werte von etwa 600 000 000 000 Euro hat bislang nicht ausgereicht, um den Kreditfluß der Wirtschaft generell und flächendeckend wieder anzukurbeln. Faule Altwertpapiere liegen wie Blei in den Tresoren der Banken und blockieren das Vertrauen der führenden Bankster untereinander. An Vertrauensbeweise in Form von Krediten für die Realwirtschaft ist derzeit überhaupt nicht zu denken. Wieviel finanztechnisches Fallobst sich in ihren Bilanzen wirklich versteckt, ist das allerletzte Bankgeheimnis.
Deshalb geht nun ein Gespenst um in Europa und der restlichen Welt – das Gespenst der Bad Bank. Das wäre gewissermaßen eine schlechte Bank für gute Bank-Räuber. Oder für Laien formuliert: Bad Bank – das ist, als ob all unsere nervigen Promis von Gottschalk bis Feldpooth ab sofort nur noch in einer einzigen, besonders furchtbaren Gestalt – zum Beispiel der von Dieter Bohlen – auf dem Bildschirm erscheinen würden. An sich eine gute Sache, wenn alle anderen dadurch endlich weg wären vom Fenster.
Andererseits wäre die Bad Bank natürlich eine Sonderform der Enteignung. Denn aus allen Banken würden dabei erhebliche Teile herausgetrennt. Und wem soll die Bad Bank gehören? Hier stellt sich zum ersten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik knallhart die Eigentumsfrage!!!
Um dem Stalinismus diesmal zuvorzukommen, müßte sich die große Koalition entschließen, die Enteignung ausnahmsweise selbst vorzunehmen. Damit wären die Großkoalitionäre praktisch die Trotzkisten der Moderne. Zumal sich die Genossen der Linkspartei mit Rufen nach Verstaatlichung auffallend zurückhalten. Sie sind gebrannte Kinder. Verluste in großem Stil hatten sie seinerzeit allerdings erst nach der Vergesellschaftung produziert.

Die Bundesregierung könnte also in einem grandiosen Akt finanzpolitischer Mülltrennung den ganzen Schruz vergesellschaften. Der Staat brauchte den Abfall bloß noch nach gängigen Kriterien (risikobehaftet, völlig wertlos, extrem toxisch) zu sortieren und auf Halde zu lagern. Sowie auf bessere Zeiten zu warten, bis jemand wieder an gut abgelagerten Schrottpapieren interessiert wäre. Dann könnte die Regierung den ganzen faulen Zauber verkaufen und die erzielten Überschüsse den Banken überweisen. Klingt ziemlich verlockend.
Bedauerlicherweise wurde die Staatsbank der DDR seinerzeit abgewickelt – sie wäre für diese Aufgabe geradezu prädestiniert gewesen. Eine Bank, auf die man alles hätte schieben können!

Wenn alle Stricke reißen, bliebe immer noch das leuchtende Beispiel der Griechen – von 1922. Der griechische Finanzminister ordnete damals kurzentschlossen an, daß alle Banknoten in der Mitte zerschnitten werden. Nur eine Hälfte blieb gültiges Zahlungsmittel. Und war natürlich auch nur noch halb so viel wert. Eine ziemlich pfiffige Lösung.
Mit der großen Koalition ginge das allerdings nicht so einfach.
Der Wähler müßte sich im September schon entscheiden: linke oder rechte Hälfte?!

Wolfgang Mocker

© 2010 Viola Mocker Berlin · www.mocker-aphorismen.de
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