Wolfgang Mocker
ÖKONOMIE FÜR QUEREINSTEIGER (TEIL II)
strassen|feger · 16.08.2005

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Die drängendsten Fragen aus der Kapitalismusdebatte.

Die fünf führenden Wirtschaftsvollwaisen antworten:

Warum kommen andere Länder irgendwie besser mit dem Kapitalismus zurecht als wir Deutschen?

Das wissen wir auch nicht, das müßten Sie diese Länder selber fragen. Fakt ist jedoch, daß es bei uns eine fatale Mischung aus Obrigkeits- und Sozialstaat gab, die sich durch unsere ganze jüngere Geschichte zieht - von Bismarck über Hitler bis hin zu Adenauer/Ulbricht. Bloß daß die Ostdeutschen natürlich nie auf die Idee gekommen wären, den Arbeiter-und-Bauern-Staat für Marktwirtschaft zu halten. Nicht mal für Kapitalismus! Kurioserweise. Im Staatssozialismus gab es ja keine Ausbeutung des Menschen durch den Menschen - dort war es genau umgekehrt.

Gibt es in der Bundesrepublik überhaupt Marktwirtschaft?

Das ist eine sehr gute Frage. Vielleicht besteht eben darin der Grundirrtum unserer Debatte. Nehmen wir nur mal für eine Sekunde an, das hier sei gar keine Marktwirtschaft, sondern höchstens ein weiteres vorläufiges Endprodukt "spätkapitalistischer" Entwicklung - wie etwa die Oktoberrevolution oder der Münchner Putsch vor der Feldherrnhalle - dann föchten wir in der Kapitalismus-Debatte praktisch mit einem ganz falschen Feind. Wie vor 400 Jahren Don Quichotte. Dann sollten wir uns vielleicht von den Windrädern abwenden und die echten Riesen suchen. Das, wogegen wir gern kämpfen würden, hätten wir dann womöglich noch gar nicht.

In was für einem System leben wir aber dann?

<>Noch eine sehr gute Frage. Antwort: Wonach sieht’s denn aus!?

Genau: eine gigantische oligarchische, hoffnungslos verfilzte und korrupte Verteilungsmaschine von attraktiven Posten und lukrativen

Einkünften ohne die geringste Gegenleistung. Wie der Name schon sagt: BRD - Bananenrepublik Deutschland. Während die Nebenverdienstler unter unseren Volksvertretern für ihr Geld überhaupt nichts tun, entlassen unsere einfallslosen Manager immerhin noch Personal. Dafür werden sie von einem Unternehmen zum nächsten, von einem Aufsichtsrat zum anderen weitergereicht. Praktisch wie Bundesligatrainer. Dies hält man hierzulande für freien Wettbewerb.

Wieso ist die Bundesrepublik trotz Standortschwächen wie Inkompetenz, Inkontinenz und Mittelmäßigkeit noch immer Exportweltmeister?

Das können wir uns, offen gestanden, auch nicht erklären. Offenbar existiert irgendwo im Land eine Art Sonderwirtschaftszone, wo Leistung und Kompetenz noch ihre ursprüngliche Bedeutung behalten haben. Von diesem bundesdeutschen Hongkong lebt mittlerweile die ganze Republik. Teilweise sogar wie der Kaiser von China, finden Sie nicht?

Könnte man nicht auch die Regierung privatisieren?

Im Prinzip ja. Nach dem Aktionärsgesetz sind die Steuerzahler allerdings schon jetzt praktisch die Aktionäre unserer Regierung. Als solche müßten sie eigentlich an Transparenz der Nebenverdienste und vor allem an der Durchschaubarkeit von Gesetzesvorhaben interessiert sein. Stattdessen entlasten sie die Regierung regelmäßig durch Abwahl und stecken ihr Geld in die nächste müde Truppe. So was nennt man - extremes Risikokapital.

Gibt es eine einfache Lösung unserer Probleme?

Na, klar. Man müßte einfach nur das ganze Land abreißen - und zwar noch vor dem "Palast der Republik". Und - falls einen hinterher die Vaterlandsliebe übermannt - halt wieder neu aufbauen. Vielleicht sollten wir es dann zur Abwechslung doch mal mit angelsächsischer Marktwirtschaft versuchen. Bis auch sie eines Tages so verrottet sein wird wie die US-amerikanische, könnten ja immerhin noch mal 200 Jahre vergehen. Das sollte es uns wert sein.

Wären Neuwahlen auch eine Lösung?

Im Prinzip ja. Denn man kann das Land natürlich auch scheibchenweise abreißen. Aber dann müßte man den Leuten ehrlicherweise sagen: «Habt Geduld mit unseren Politikern! Karthago wurde auch nicht an einem Tage - zerstört.»

Wird es irgendwann ein Ende der Kapitalismusdebatte geben?

Wir glauben: nein. Denn zum Schluß müßten ja alle Streithähne einsehen, daß Marktwirtschaft mit richtigem Wettbewerb, echten Leistungskriterien und wirklich sozial gerechtem Ausgleich im Grunde genommen auch bloß eine Utopie ist. Etwa wie der Kommunismus. Beides hat es praktisch noch nie gegeben!

Wolfgang Mocker 2005

© 2010 Viola Mocker Berlin · www.mocker-aphorismen.de
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